Rauhreif vor Weihnachten von Anna Ritter (1865-1921)

Rauhreif vor Weihnachten

Das Christkind ist durch den Wald gegangen,
Sein Schleier blieb an den Zweigen hangen,
Da fror er fest in der Winterluft
Und glänzt heut‘ morgen wie lauter Duft.

Ich gehe still durch des Christkind’s Garten,
Im Herzen regt sich ein süß Erwarten:
Ist schon die Erde so reich bedacht,
Was hat es mir da erst mitgebracht!

Anna Ritter (1865-1921)

An die Sonne – genau das Gedicht für den heutigen Tag von Franz Grillparzer

An die Sonne

Sonne, göttliches Licht! Schaffende, nährende
Himmelstochter! Du spendest uns
Wonne, Segen und Lust, Früchte den lockenden
Fluren, zeugest den Traubensaft.

Kaum entfaltet der Tag jugendlich heiter sich,
Sieh! Da singet ein Vögelchor
Hymnen, Schöpferin dir, alles belebendes,
Alles stärkendes Götterkind.

Sieh! Da glänzt das Gebüsch, Felder und duftende
Haine blitzend von kühlem Tau,
Der die Gewächse erfrischt, nähret, und stärkere
Wohlgerüche zum Himmel schickt.

Du verscheuchest den Schlaf, der mit allmächtigen
Schwingen jeglichen Menschen deckt,
Der im quälenden Traum foltert den Erdensohn,
Den du gütig der Qual entreißt.

Dankbar gegen die Huld deiner erquickenden
Güte, zollet der Afrer dir
Weihrauch, dankbar ertönt starrender Lappen Lied
Auf den eisigten Ebenen.

O dein strahlendes Haupt gibt mir ein Wonnegefühl!
Macht den Schöpfer mich ahnden. Da
Stürz ich nieder vor dir, bete die gütige
Allmacht hocherfreut, innig an.

Den 16ten Juni 1804

Franz Grillparzer

Frühlingsgedicht

Frühling

Willkommen, schöne Schäferin
In deinem leichten Kleide,
Mit deinem leichten frohen Sinn,
Willkommen auf der Weide.

Sieh, wie so klar mein Bächlein fließt,
Zu tränken deine Herde!
Komm setz dich, wenn du müde bist,
Zu mir auf die grüne Erde.

Und trübt sich der Sonne goldiger Schein,
Und fällt ein kühlender Regen,
Dann ist mein Mantel nicht zu klein,
Wollen beide darunter uns legen.

Benjamin Franklin Wedekind (1864-1918)

Weitere Gedichte und Sprüche zum Frühling gibt’s im Sprücheportal

70. Todestag von Stefan Zweig

Heute ist der 70. Todestag von Stefan Zweig.
Wikipedia schreibt zu ihm: „Stefan Zweig (* 28. November 1881 in Wien; † 23. Februar 1942 in Petrópolis, Bundesstaat Rio de Janeiro, Brasilien) war ein österreichischer Schriftsteller.“

Ich möchte ihn mit der Veröffentlichung einiger Zitate aus seinen Werken ehren:

  • „Am Tage, da ich meinen Paß verlor, entdeckte ich mit achtundfünfzig Jahren, daß man mit seiner Heimat mehr verliert als einen Fleck umgrenzter Erde.“ – Die Welt von gestern: Erinnerungen eines Europäers.
  • „Kein Künstler ist während der ganzen vierundzwanzig Stunden seines täglichen Tages ununterbrochen Künstler; alles Wesentliche, alles Dauernde, das ihm gelingt, geschieht immer nur in den wenigen und seltenen Augenblicken der Inspiration.“ – Sternstunden der Menschheit: zwölf historische Miniaturen.
  • „Niemand ist fort, den man liebt. Liebe ist ewige Gegenwart.“ – Legende eines Lebens. Ein Kammerspiel in drei Aufzügen.
  • „…wozu lebt man, wenn der Wind hinter unserm Schuh schon die letzte Spur von uns wegträgt?“ – Buchmendel. Novellen.
  • “Das Gerücht erreicht immer denjenigen als letzten, mit dem es sich beschäftigt.”
  • “Gesundheit ist für den Menschen das Natürliche, Krankheit das Unnatürliche.”
  • “Gedanken leben ebenso von der Bestätigung wie vom Widerspruch.”
  • “Jeder Glaube, der dem Geld oder der Macht dient, nimmt Schaden an seiner Seele.”
  • “Klug sein hat noch nie einen Menschen an Dummheiten gehindert.”
  • “Wer einmal sich selbst gefunden hat, der kann nichts auf dieser Welt mehr verlieren.”
  • “Erst das Leiden hat der Menschheit das Gefühl der Religion, den Gedanken eines Gottes erschaffen.”
  • “Immer erscheinen die entscheidenden Ideen nachträglich als einfache und selbstverständliche.”
  • “Entscheidend für eine Idee ist nie, wie sie sich verwirklicht, sondern was sie an Wirklichkeit enthält.”

In der Christnacht

In der Christnacht

Ein Bettelkind schleicht durch die Gassen –
Der Markt lässt seine Wunder seh’n:
Lichtbäumchen, Spielzeug, bunte Massen.
Das Kind blieb traumverloren steh’n.

Aufseufzt die Brust, die leidgepresste,
Die Wimpern sinken tränenschwer.
Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste –
Ich weiß kein Leid, das tiefer wär‘.

Im Prunksaal gleißt beim Kerzenscheine
Der Gaben köstliches Gemisch,
Und eine reichgeputzte Kleine
Streicht gähnend um den Weihnachtstisch.

Das Schönste hat sie längst, das Beste,
Ihr Herz ist satt und wünscht nichts mehr.
Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste –
Ich weiß kein Leid, das tiefer wär‘.

Doch gält’s in Wahrheit zu entscheiden,
Wer des Erbarmens Preis verdient –
Ich spräch‘: Das ärmste von euch beiden
Bist du, du armes reiches Kind!

Ottokar Kernstock (1848-1928)

Der Herbstwind (Heinrich Heine)

Der Herbstwind

Der Herbstwind rüttelt die Bäume,
Die Nacht ist feucht und kalt;
Gehüllt im grauen Mantel,
Reite ich einsam im Wald.

Und wie ich reite, so reiten
Mir die Gedanken voraus;
Sie tragen mich leicht und luftig
Nach meiner Liebsten Haus.

Die Hunde bellen, die Diener
Erscheinen mit Kerzengeflirr;
Die Wendeltreppe stürm ich
Hinauf mit Sporengeklirr.

Im leuchtenden Teppichgemache,
Da ist es so duftig und warm,
Da harret meiner die Holde
Ich fliege in ihren Arm.

Es säuselt der Wind in den Blättern,
Es spricht der Eichenbaum:
Was willst du, törichter Reiter,
Mit deinem törichten Traum?

Heinrich Heine, deutscher Dichter, 1797 – 1856

wiedergefunden im Newsletter von www.blueprints.de

Regen, Regen!

Regen, Regen,
Himmelssegen!
Bring‘ uns Kühle, lösch‘ den Staub
Und erquicke Halm und Laub!

Regen, Regen,
Himmelssegen!
Labe meine Blümelein,
Lass sie blüh’n im Sonnenschein!

Regen, Regen,
Himmelssegen!
Nimm dich auch des Bächleins an,
Dass es wieder rauschen kann!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

Hymne an die Nacht

Hymne an die Nacht

Dich nur lieb‘ ich, o Nacht,
Tausendäugige du,
Deren gütigem Blick
Sich die Tiefen der Brust
Still vertrauend erschließen.

Der allmächtige Tag
Wie ein eiliger Arzt
Reißt mit herrischer Hand
Von den Wunden der Welt
Schonungslos die Binde;
Alle Winkel durchforscht
Seines suchenden Auges
Unerbittlicher Strahl,
Und mit schmerzlicher Kraft
Senkt er seine Sonde
In die tief geheimsten
Leidensherde des Irdischen.
Aber du,
Im schwarzen Gewand,
Barmherzige Schwester
Aller jener,
Die krank am Leben!
Du hüllest weich
Und sorgsam wieder
Die aufgerissenen
Blutenden Wunden
Und bettest sanft
Zur Ruhe wieder
Das aufgeschreckte
Gequälte Herz.
In deinen Händen,
Den wolkenlinden,
Schweigen und schwinden
Schrecken und Schmerz.
Und deinen tausend
Gütigen lieben
Sternenaugen
Entgeht kein Seufzer
Und keine Zuckung
Und keine Träne.
Groß ist der Tag!
Der starke, allheilende
Vater des Lebens!
Ich ehr‘ ihn und fürcht‘ ihn.
Dich aber lieb‘ ich,
Mutter des Todes,
Größere, stärkere, gütige Göttin,
Trösterin Nacht!

A. De Nora . 1864 – 1936

Hasengedicht

Ein Hase auf der Wiese saß,
oh welch ein Spaß im hohen Gras
er genüßlich mümmelnd fraß
na Gras oder was?

Da kam ein junger Jägersmann
der allerdings nicht schießen kann,
er zielt‘ und wagt‘ es dann doch nicht
zu niedlich war der kleine Wicht.

Ein Fuchs kam ebenfalls daher
ihm viel das Fressen gar nicht schwer
doch hatte er erst gerade eben
ein Huhn gebracht ums pralle Leben.

So saß der Has ganz ungestört,
im fernen Wald ein Hirschlein röhrt,
er saß und fraß im hohen Gras
na ist das nicht ein toller Spaß!

Achim Schmidtmann

Die Liebe gleichet dem April – von Emanuel Geibel

Die Liebe gleichet dem April
Bald Frost, bald fröhliche Strahlen,
Bald Blüten im Herzen, in Thalen,
Bald stürmisch und bald still:
Bald heimliches Ringen und Sehnen,
Bald Wolken, Regen und Thränen,
Im ewigen Schwanken und Wähnen,
Wer weiß, was werden will.

Emanuel Geibel (1815-1884)