Die Weihnachtslegende
In heiliger Nacht flogen Hand in Hand
drei Englein hinab in das jüdische Land.
Sie wollten die seligste aller Frau’n
und das göttliche Kind in der Krippe schaun.
Der Stern von Bethlehem war noch wach
und strahlte mild auf das flache Dach.
Sie suchten die Pforte und fanden sie bald
und lugten wechselnd durch heimlichen Spalt.
Sie riefen und baten und klopften ganz sacht,
bis Josef behutsam aufgemacht.
Im Stall war es dämmrig. Sie schwebten heran
und schauten den schlummernden Heiland an.
Der eine hob hoch die Ampel empor
und breitete schattend sein Flüglein davor.
Der zweite schob sanft in des Kindleins Hand
ein Sternlein, gefunden am Himmelsrand.
Der dritte hat fromm vor der Krippe gekniet
und sang mit süßer Stimme ein Lied.
Da zog ein Lächeln, göttlich und licht,
über des himmlischen Kindes Gesicht.
Für alle Zukunft hat es geweiht
die Feier der heiligen Weihnachtszeit:
Die strahlende Leuchte, den Weihnachtsstern
und das fromme Lied zum Preise des Herrn.
Alice Freiin von Gaudy, 1863-1929