Des Knaben Wunderhorn
DES SULTANS TÖCHTERLEIN UND DER MEISTER DER BLUMEN
Altes fliegendes Blatt aus Köln
Der Sultan ha tt ein Töchterlein,
Die war früh aufgestanden,
Wohl um zu pflücken die Blüme=
In ihres Vaters Garten. [lein
Da sie die schönen Blümelein
So glänzen sah im Taue:
Wer mag der Blümlein Meister
Gedachte die Jungfraue. [sein,
Er muß ein großer Meister sein,
Ein Herr von großen Werten,
Der da die schönen Blümelein
Läßt wachsen aus der Erden.
Ich hab ihn tief im Herzen lieb,
o dürft ich ihn anschauen!
Gern ließ ich meines Vaters Reich
Und wollt sein Gärtlein bauen.
Da kam zu ihr um Mitternacht
Ein heller Mann gegangen:
„Tu auf, tu auf, viel schöne Magd,
Mit Lieb bin ich umfangen.“
Und schnell die Magd ihr Bettlein
Zum Fenster tät sie gehen, [ließ,
Sah Jesum, ihr viel schönes Lieb,
So herrlich vor sich stehen.
Sie öffnet ihm voll Freudigkeit,
Sie neigt sich tief zur Erden
Und bot ihm freundlich gute Zeit
Mit sittsamen Gebärden.
„Woher, woher, O Jüngling schön?
In meines Vaters Reichen
Mag keiner dir zu Seite gehn,
Sich keiner dir vergleichen.“
„Viel schöne Magd, du dachtest
Um dich bin ich gekommen [mein,
Aus meines Vaters Königreich,
Ich bin der Meister der Blumen.“
,,O Herr, O Herr, wie weit, wie weit
Ist’s zu des Vaters Garten?
Dort möcht ich wohl in Ewigkeit
Der schönen Blumen warten.“
„Mein Garten liegt in Ewigkeit
Und noch viel tausend Meilen,
Da will ich dir zum Brautgeschmeid
Ein Kränzlein rot erteilen.“
Da nahm er von dem Finger sein
Ein‘ Ring von Sonnengolde
Und fragt, ob Sultans Töchterlein
Sein Bräutlein werden wollte.
Und da sie ihm die Liebe bot,
Sein Wunden sich ergossen;
,,O Lieb, wie ist dein Herz so rot,
Dein Hände tragen Rosen.“
„Mein Herz, das ist um dich so rot,
Für dich trag ich die Rosen,
Ich brach sie dir im Liebestod,
Als ich mein Blut vergossen.
Mein Vater ruft, nun schürz dich, Braut,
Ich hab dich längst erfochten.“
Sie hat auf Jesus Lieb vertraut,
Ihr Kränzlein war geflochten.